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Boris Spasski: Der Leningrad Cowboy

Aljechin - Leben und Sterben eines Schachmeisters

Inhalt

“Boris Spasski – Der Leningrad Cowboy” ist mehr als nur eine Biografie über den 10. Schachweltmeister. Sein Weg zum Schacholymp wird ebenso nachgezeichnet, wie seine historische Niederlage 1972 gegen Bobby Fischer im Match des Jahrhunderts. Über 50 kommentierte Partien, aufgeteilt in 16 Kapitel, begleiten das Schachleben des genialen Russen von seinen Anfängen in den 40er Jahren in Leningrad bis zu seinem letzten Match gegen Viktor Kortschnoi 2009 in Elista.

Fast 60 Illustrationen und Karikaturen des Protagonisten ersetzen in diesem Buch die sonst üblichen Mainstream-Fotos und stehen symbolisch für den ausgewiesenen Humor Spasskis.

Auch Weggefährten auf der langen Schachreise kommen zu Wort: Die Internationalen Meister Bernd Schneider und Herbert Bastian, der Fidemeister Dirk Paulsen und der bekannte Schachorganisator Hans-Walter Schmitt geben ebenso launische wie charmante Anekdoten aus ihren Begegnungen mit Spasski preis. Zahlreiche Interviews und Statements des Weltmeisters sowie 64 Schachaufgaben aus seinem langen Schachleben runden das Gesamtbild ab.

Eine beigefügte CD mit 2300 zum großen Teil kommentierten Partien bietet der Leserschaft zudem die Möglichkeit, sich mit dem schachlichen Vermächtnis des Weltmeisters auseinanderzusetzen.

Erscheinungsjahr: 2021
Einbandart: kartoniert
348 Seiten + CD (2300 Partien)
ISBN-10: 3981984935
ISBN-13:  978-3981984934

Rezensionen

Ralf J. Binnewirtz (Juli 2021)

Reflexionen, Anmerkungen und kurze Recherchen

Nach knapp 50 Jahren, d.h. nach dem roten Wildhagen-Band von 1972 = Weltgeschichte des Schachs 27: SPASSKY, ist dieses Werk das erste über Boris Spasski in deutscher Sprache. Daher dürfte diese Neuerscheinung die besondere Aufmerksamkeit der deutschsprachigen Schachwelt auf sich ziehen. Das Buch der drei in der deutschen Schachszene wohlbekannten Autoren macht auf den ersten Blick einen formidablen Eindruck, zum einen durch die ansprechende Ausstattung (sogar in eine Fadenheftung wurde investiert), zum anderen durch die zahlreichen ergötzlichen Karikaturen von Fränk Stiefel, die (als Ersatz für Fotos) das gesamte Buch durchziehen. Fünf Gastautoren (IM Bernd Schneider, Hans-Walter Schmitt, FM Dirk Paulsen, Martin Hahn, IM Herbert Bastian), die ihre Begegnungen mit Boris Spasski aus persönlicher Sicht schildern, verleihen dem biografischen Teil einen merklichen Mehrwert. Bernd Schneider hat außerdem ein Vorwort beigesteuert. Das Leben und die Schachkarriere des charismatischen zehnten Schachweltmeisters (WM 1969-1972) wird in den Kapiteln 1 bis 11 etappenweise nachgezeichnet, dabei ist auch den drei Lehrern/Trainern von Spasski, W.G. Sak, A.K. Tolusch und I.S. Bondarewski, jeweils ein mehrseitiger informativer Textkasten gewidmet, der uns mit biografischen Details und den Eigenheiten ihrer Trainingsarbeit bekannt macht. Eine lobenswerte Beigabe. Jedem der ersten 10 Kapitel ist eine Auswahl kommentierter Partien beigefügt, zusammen mit den Partien in den Gastbeiträgen kommen wir auf eine Gesamtzahl von 52 (nummerierten) Partien, dazu gibt es eine Reihe von Partiefragmenten. Im Nachwort von Ulrich Geilmann ist schließlich eine weitere Partie Spasski – Lobron zu entdecken. Kapitel 15 präsentiert noch 64 ausgesuchte Kombinationen in Form von Aufgaben, deren Lösungen im Folgekapitel erläutert werden. Kommentare und Analysen zu den Partien des biografischen Teils sowie zu den Kombinationen wurden von Ulrich Geilmann erstellt, unter tatkräftiger Mithilfe von Manfred Herbold sowie Thomas Binder als Prüfer der Kombinationen (siehe „Danksagung“ S. 333). Nicht recht klar wird dem Leser, ob bzw. inwieweit Engine-Analysen zum Tragen kamen, bekanntlich sind diese generell aus der Partiekommentierung nicht mehr wegzudenken und finden auch in höchsten Schachkreisen standardmäßig Verwendung. Gelegentliche Fremdkommentare/-analysen werden durch Nennung eines in Klammern gesetzten Nachnamens (nicht immer aufschlussreich) angedeutet. Der CD-Inhalt (15 MB) lässt sich natürlich auf die eigene Festplatte kopieren, beliebige der insgesamt 2335 Partien kann man dann in einem Schachdatenbankprogramm aufrufen und betrachten. Die Partien sind entweder verbal/mit Analysen oder nur im Informatorstil („Taktische Analyse“) kommentiert. Den Aufwand für die Erstellung der Spasski-Datenbank vermag ich nicht einzuschätzen, auf jeden Fall ist sie ein willkommener Bonus zum Buch. In Kapitel 9, das den Rückkampf gegen Fischer 1992 in Sveti Stefan/Belgrad thematisiert, war ich ein wenig überrascht, kein Wort über die junge Ungarin Zita Rajcsanyi zu lesen, die ja diesen Wettkampf ursächlich ausgelöst hat bzw. am Zustandekommen desselben maßgeblich beteiligt war. Näheres hierzu ist z.B. in Frank Brady: Bobby Fischer (dt. Erstauflage 2016) nachzulesen, dort S. 277-281. Eine besondere Zugabe wird in den Kapiteln 12 und 13 geboten: Zum einen Auszüge aus Interviews, die Spasski gegeben hat, wobei die Fragen/Antworten nach verschiedenen Themen gruppiert sind; zum anderen Statements von Spasski über andere Schachgrößen seiner Zeit sowie zu einigen übergreifenden Aspekten. Lesenswert! Indes ist nicht ausnahmslos alles Gold, was glänzt: So besteht ein bedenklicher Wermutstropfen darin, dass die Zitate im Buch, und dies sind nicht wenige (Kap. 12 und 13 bestehen im Wesentlichen aus Zitaten), gemeinhin ohne Quellenangaben reproduziert wurden – relativ wenige Ausnahmen hiervon bestätigen nur die Regel. Die Zitate sind meist durch Kursivdruck kenntlich gemacht, bisweilen durch das Setzen von Gänsebeinchen oder auch durch beides. Von den Zitaten abgesehen, wären aber zu manch anderen Informationen im Buch ebenfalls Quellenangaben wünschenswert gewesen, z.B. zu den oben erwähnten Texten zu Spasskis Trainern. Zahlreiche, im Hinblick auf Quellenangaben vorbildliche Biografien sind in den letzten Jahrzehnten erschienen, beispielhaft verweise ich auf die englische Emanuel Lasker-Trilogie, die zu 2/3 publiziert ist. […] Auch nachfolgende Schachhistoriker würden es fraglos begrüßen, auf verlässliche Quellenangaben zurückgreifen und sich damit den Einstieg in eigene Recherchen erleichtern zu können. Und nicht zuletzt hätten sich die für den Buchinhalt Verantwortlichen gegen jedwede Vorwürfe der Urheberrechtsverletzung wappnen können, hätten sie nur durchgängig ein sauberes Zitieren mit Angabe der Quellen geübt. Mir drängt sich eine weitere naheliegende Frage auf, nämlich ob die Zitate übersetzt wurden und, wenn ja, aus welcher Sprache und von wem. Spasski hat Interviews sicherlich nicht in Deutsch gegeben, die meisten sind vermutlich in Englisch geführt worden. Für einen Abgleich zwischen Original und deutscher Übersetzung wäre wiederum die Kenntnis der primären Quelle unabdingbar. Inwieweit in der Vorbereitung für dieses Buch eine möglichst vollständige Sichtung aller relevanten Quellen zu Spasski angestrebt wurde, bleibt offen. Eine knapp zweiseitige Bibliografie am Ende des Buchs (S. 336 f.) offeriert eine Liste der Quellen, die die Autoren wohl für ihre Ausarbeitung genutzt haben. Sie wäre zweifellos noch erweiterungsfähig […]. Es wundert ein wenig, dass einige Interviews aus Chess Life [& Review], die als Digitalisate im Web frei verfügbar sind, nicht berücksichtigt wurden (sie sind jedenfalls in der Bibliografie des Buchs nicht aufgeführt). Allein aus diesen wären sicherlich noch interessante biografische Details zu extrahieren gewesen. Einen Schachweltmeister wie Boris Spasski zu biografieren bedeutet die mühsame Aufarbeitung eines Stückes Schachgeschichte, die in größtmöglicher Seriosität angegangen und durchgeführt werden sollte. Hierzu wäre ein internationales Autorenteam prädestiniert, das in der Lage ist, alle wesentlichen Quellen zu Spasski in den diversen Sprachen zu sichten und auszuwerten, insbesondere natürlich russische Quellen, aber auch französische, etc. pp. Auf diese Weise wäre eine weithin anerkannte Spasski-Biografie realisierbar, die den gewachsenen Ansprüchen unserer Zeit genügt. Es sollte auch möglich sein, in einer Biografie historische Fotos zu präsentieren. Gegebenenfalls wäre bei den Rechteinhabern um die Verwendung von Fotos nachzufragen. […]  Offenbar waren die Autoren nicht gewillt, sich auf diesen akademischen Ansatz einzulassen, das ist bedauerlich und im Grunde ein Rückfall in die Gepflogenheiten des letzten Jahrhunderts. Dabei hätte der Unterhaltungswert des Buchs bei der professionelleren Vorgehensweise keineswegs gelitten. Was bleibt, ist ein erfreulich solide aufgemachtes Buch (inklusive CD) zu einem ausnehmend fairen Preis, das viel unterhaltsamen Lesestoff, etliche humorvolle, attraktive Karikaturen und zahlreiche kommentierte Partien zum Nachspielen bietet. Wobei die Leserschaft allerdings vielerorts zu „blindem Glauben“ genötigt ist – die wenigsten Leser werden sich aufmachen, um die biografischen Details in den gelisteten oder in weiteren Quellen zu „verifizieren“ (oder zu falsifizieren). Trotzdem ist zu erwarten, dass viele Schachfreunde, die den besagten akademischen Anspruch nicht teilen, mit dem Buch durchaus zufrieden oder von ihm gar hellauf begeistert sein werden. Nicht wegzudiskutieren ist allerdings das Manko der fehlenden eindeutigen Quellenzuordnung, eine gewisse Enttäuschung hierüber kann ich nicht verbergen. Da blieb die Chance ungenutzt, es besser zu machen. […] Zugleich scheint mir bei der Vielzahl der im Buch vorliegenden Zitate ein signifikanter Verstoß gegen das deutsche Urheberrechtsgesetz vorzuliegen. […] Auf die ultimative Spasski-Biografie werden wir also weiterhin warten müssen. Die Multibiografie Tal, Petrosian, Spassky and Korchnoi von A. Soltis (2018), die mit zahlreichen Endnoten auch zu russischen Quellen aufwartet und dem wissenschaftlichen Standard entspricht, hat eben den Nachteil, dass hier die Biografien von vier Schachgrößen miteinander verwoben sind: Die einzelnen biografischen Fragmente zu Spasski muss man sich schon zusammensuchen, um daraus ein kohärentes Gesamtbild zu formen. Mir wäre es lieber, eine erschöpfende Biografie allein zu Spasski zu haben, sei es in Deutsch oder in Englisch. Allein ich bin skeptisch, ob ich dies noch erleben werde.

Leseprobe

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